Wau, der Trend!
complete Magazin 2024
Hundebekleidung boomt – nicht nur im Winter. Ob Tierbedarfdiskonter, Luxuslabel oder regionale Designer:innen, vierbeinige Mode-Aficionados finden ihre canide Garderobe
Lola hatte keinen Bock auf Laden. Schuld seien nicht die knapp zehn Grad unter null, meint Karin Bergmayer. Die hätte Lola in ihrem dick gefütterten Maßsteppmantel ohnehin kaum gespürt. „Es ist das Alter“, sagt Bergmayer. „Sie ist ja schon 13.“ Deshalb sei Lola, der Mops, zu Hause geblieben und Bergmayer allein im Geschäft. Seit sieben Jahren betreibt sie „Mopsfidel“, ihren „kleinen Shop für kleine Hunde“, in einem knallgelb und giftgrün gestrichenen Stand am Meidlinger Markt.
Ihre Kund:innen kommen von überall her, um die von Bergmayer maßgeschneiderten Steppmäntel, wasserabweisenden Anoraks aus Kunstleder, handgefertigten Mopsmaulkörbe aus Leder, weiche Baumwollbrustgeschirre oder wärmenden Wollpullis für ihre Hunde zu kaufen. Das Geschäft mit Hundebekleidung und -accessoires boomt.
Vor einigen Jahrzehnten steckten noch vorwiegend Schoßhunde betagter Damen in Regenmänteln. Heute kommen Apportierhunde in Funktionsbekleidung wie jenem Bademantel daher, der nach dem Training im Wasser vor Unterkühlung schützen soll. Trendbekleidung ist selbstverständlich, etwa rosafarbene Cowboyhüte mit Federschmuck samt Goldkrönchen vom Hundemodelabel „Doggy Parton“ der US-amerikanischen Country-Sängerin Dolly Parton. Selbst Luxuslabels wie Versace, Burberry oder Moncler haben Hundemode und -accessoires im Sortiment – zu Preisen oft jenseits der tausend Euro.
Der Trend zum „Alleskönner-Mantel“
Wie profitabel ist die textile Liebe von Halter:innen für ihre Hunde? Schwer zu sagen. In absoluten Zahlen lässt sich der Trend nicht beziffern. „Die einzelnen Produktkategorien werden landesweit nicht erfasst“, sagt Brigitte Holzmann, Gremialobmann-Stellvertreterin des Wiener Zoofachhandels. Was sie weiß: Bis inklusive 2021 sei der Umsatz in den Produktkategorien Funktions- und Trendbekleidung für den Hund anhaltend gut gewesen. Seither stellen Zoofachhändler:innen eine Tendenz zum „Alleskönner-Mantel“ fest. Eher schlicht, soll er warm und wasserdicht sein.
Holzmann vermutet, es sei dem aktuell geringeren Haushalsbudget vieler Hundehalter:innen geschuldet. Zahlen, die beim Einordnen helfen können, stammen aus dem Jahr 2019 vom Marktführer der Tierausstattung „Fressnapf“. Der schätzte damals die heimische Hundepopulation auf rund 800.000. Die Kosten eines durchschnittlichen Hundelebens bezifferte man mit etwa 12.000 bis 20.000 Euro. Fressnapf Österreich machte 2022 einen Umsatz von 262 Millionen Euro.
Modeerscheinung – aber auch sinnvoll?
Nun mögen viele Hundehalter:innen ihre Lieblinge in Mäntel, Pullover, T-Shirts und Halstücher stecken und damit auf TikTok und Co. Likes generieren, aber ist es sinnvoll, Hunde einzukleiden?
„Ja, aber“, antworten Tierärzt:innen und Tierschutzorganisationen wie die Pfotenhilfe. Sinnvoll sei Bekleidung dann, wenn Hunde zu wenig Unterwolle haben, sowie bei älteren oder kranken Tieren mit Problemen im Bewegungsapparat. Die Tiere müssen langsam daran gewöhnt werden, die Kleidung darf sie nicht im Bewegungsablauf einschränken.
Am besten selbst gemacht
Tierärzt:innen schicken Kund:innen und ihre Hunde häufig zu Nicole Raker. „Die Hunde sind tendenziell schon eher kurzhaarig, älter oder haben Rückenbeschwerden“, erklärt die ehemalige Landschaftsarchitektin. Sie habe aber auch schon Wärmendes für große Terrier geschneidert. Ihr Rücken sei von der jahrelangen Kälte im Winter sehr verspannt gewesen. „Vor allem in der Stadt sind Hunde viel in geheizten Räumen, deshalb wächst ihr Fell nicht mehr so dicht. Es gibt bestimmte Rassen, die keine Unterwolle oder nackte Bäuche haben. Oder aufgrund ihrer geringen Größe bodennah und dadurch anfälliger für Blasenentzündungen sind.“
Hundecouturière wurde sie aus Not: Für ihre frierende Magyar-Agar-Hündin Katica war kein passender Mantel zu finden. So setzte sich Nicole Raker selbst an die Nähmaschine. Seit 2018 lässt sie diese nun hauptberuflich summen: Im Atelier ihres Labels „sorglos“ in der Leopoldstadt empfängt sie ihre canide Kundschaft, nimmt Maß und überprüft bei einer weiteren Anprobe den Sitz. „Dem Hund muss es gut gehen, auch soll er nicht verkleidet sein“, sagt die Selfmade-Schneiderin. Herbst und Winter ist sie monatelang ausgebucht.
Funktionell und witzig
Von Kostümierung hält auch Karin Bergmayer nichts. Die gelernte Hutmacherin betreibt unweit ihres Mopsfidel-Marktstands auch ein Atelier, in dem sie seit mehr als 35 Jahren ausgefallene bis exzentrische Hüte herstellt. „Für Hunde mache ich keine Huterln oder Dirnderln. Es muss funktionell, bequem, schlau gemacht, witzig und bunt sein. Das ist mein Style. Modetrends sind mir wurscht.“ Bergmayer führt in ihrem 24-Quadratmeter-Laden so ziemlich alle Farben des Spektrums. Gleich nach der Verabschiedung wirft sie ihre Pfaff-Nähmaschine an. Es ist Mantelsaison.
TIPPS
Nicole Rakers maßgeschneiderte Kleidung für den urbanen Hund.
Bei Karin Bergmayer gibt es Buntes und Warmes nach Maß für kleine Hunde.