Der Duft des Goldenen Zeitalters
complete Magazin 11/22
Nördlich von Amsterdam knarren Windmühlen und alte Holzhäuser. Zaanse Schans ist ein begehbares Gemälde der holländischen Meister des 17. Jahrhunderts.
Bläst der Wind aus Südwest wie an den meisten Tagen, trägt er die herbe Süße von Kakaobohnen über die Zaan. Ein Dutzend hölzerner Windmühlen am Ufer fächelt den Duft über die weiten Wiesen landwärts – knarrend, surrend und klappernd. Zwischen dicken Schwarzkopfschafen staksen Silberreiher und schnattern Wildgänse. Über die schmalen Kanäle in der Graslandschaft krümmen sich winzige Steinbrücken, hinter ihnen hocken grün gestrichene Holzhäuser. Die Wolken hängen tief über der Ebene, man möchte sie mit den Fingerspitzen streifen. Würde Johannes Vermeers Mädchen mit den Perlenohrringen auf einem der Wege herankommen, würde das ins Bild passen. Hier, auf der Zaanse, herrscht ein niederländisches Idyll wie auf den Gemälden der alten holländischen Meister. In Schans hat man die Uhren zurückgedreht.
Das größte Freilichtmuseum der Niederlande, gut zwanzig Kilometer nördlich von Amsterdam, inszeniert das „Hohle Land“ des 17. Jahrhunderts. Zunächst wurden zwischen 1961 und 1974 alte Wohnhäuser, Geschäfte, Schuppen und Windmühlen aus der Region Zaanstreek mit Tiefladern an die Zaanse Schans übersiedelt. So entstand nicht nur ein begehbares Denkmal frühindustrieller Vergangenheit, sondern ein betriebsames Dorf mit Museen, Lokalen, Geschäften und Werkstätten. Nachts wird es von den Schweinwerfern einer modernen Industrieanlage erleuchtet, der Kakaofabrik Olam Cocoa. Von ihr kommt neben dem Licht auch das Aroma der Region. Mag sie in der historischen Kulisse auch futuristisch anmuten, sie gehört hier zur Tradition.
Denn Wind und Kakaobohnen ermöglichten eine Erfolgsgeschichte, die den flachen Landstrich zu einem der ersten Industriegebiete Europas machte.
Jahrhundertelang war Torf der einzige Schatz dieser morastigen Flusslandschaft. Bis 1597 Cornelis Corneliszoon van Uitgeest die Windmühle revolutionierte: Er stattete die behäbigen Mahlmaschinen mit einer Kurbelwelle aus, das motzte sie zu windbetriebenen Minifabriken auf. Fortan sägten sie Holz schnell und effizient, pressten Nüsse, pulverisierten Kreide für Farben, häckselten Tabakblätter und droschen Getreide. Hunderte Windmühlen säumten schon bald die Ufer der Zaan. Sie hatten das schnell zur Weltstadt wachsende Amsterdam zu versorgen.
Damals entstand auch das wertvollste Unternehmen der Weltgeschichte: die Niederländische Ostindien-Kompanie mit einem heutigen Schätzwert von 7,9 Billionen Dollar. Für die Niederlande begann ihr Goldenes Zeitalter. Aus dem Hafen von Amsterdam kam nun auch Kakao in die Windmühlen an der Zaan. Der heute noch in der Kakaoproduktion wie im Glücksspiel übliche Begriff des „Dutching“ erinnert an die einstige wirtschaftliche Großmacht der Niederlande, und der sogenannte Niederländische oder Van-Houten-Prozess hat den bitteren Kakao zu jener süßen Köstlichkeit gemacht, die wir heute kennen. Coenraad Johannes van Houten, Chemiker, Arzt und Besitzer einer windmühlenbetriebenen Schokoladenfabrik, entwickelte 1846 mittels Alkalisierung der Kakaobohnen das erste moderne Kakaopulver.
Heute kann man auf der Zaanse Schans überall einen Van-Houten-Gedächtnisdrink verkosten. Wer tiefer in die Geschichte des schwarzen Goldes eintauchen möchte, begibt sich ins Zaans Museum. Hier arbeiten die Maschinen einer Schokoladenfabrik aus dem 20. Jahrhundert. Am Ufer der Zaan sitzend ins Idyll holländischer Altmeister schauend, bringt der Südwestwind im Duft der Kakaobohnen die Erinnerung an eine goldene Epoche zurück.
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TIPPS
Die Zaanse Schans erreicht man von Amsterdam in etwa einer Dreiviertelstunde mit dem Zug und dann zu Fuß, oder mit dem Fahrrad. Oder man nimmt eine Fähre vom Amsterdamer Hafen aus in die nahegelegene Kleinstadt Zaandam. Details und Informationen zu Museen, Geschäften und Lokalen unter www.dezaanseschans.nl
„Goldene“ Österreicher sind auch da: Die immersive Ausstellung „Gold in Motion“ in der Amsterdamer Fabrique des Lumières zeigt eine bunte Lichtshow von Klimt- und Hundertwasser-Werken an den 17 Meter hohen Wänden der Fabrikshalle. www.fabrique-lumieres.com