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Visionäre Architektur

complete Magazin 10/23

Die Bauwende aktiv mitgestalten, gerechte Arbeitsstrukturen schaffen, kollektiver planen: das hat sich eine Gruppe junger österreichischer Architek:innen zum Ziel gesetzt. Wie das geht, zeigen sie in einer Schau im AzW.

„Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende“ im AzW zeigt, was alles schiefläuft in der Architektur – und wie man es besser machen kann
© Lisa Rastl
Sechzig Architekt:innen aus ganz Österreich waren an den Workshops beteiligt, aus denen die Ausstellung entstand
© zkmb
Die Zentrale des POTENTIALe Festivals in Feldkirch ist ein Ort, an dem die Vielfalt der Stadt abgebildet wird und nachhaltige Nutzungskonzepte fokussiert werden
© Petra Rainer/Bodensee
Upcycling als Erfolgsmodell: Das Raum Pop-Up Café in Wien besteht ganz aus im Keller gefundenen Büromobiliar
© joy joy studio

Der Bausektor ist für 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als jeder andere Wirtschaftssektor. In Österreich werden jährlich durchschnittlich 41 Quadratkilometer an Neuflächen in Anspruch genommen und großteils versiegelt, eine Fläche so groß wie Eisenstadt. Trotzdem ist leistbarer Wohnraum knapp. Immobilien verkommen zu Spekulationsobjekten, Grünflächen werden zu Stellflächen umgewidmet. Und diejenigen, die fürs Abreißen, Umbauen und Neubauen verantwortlich sind, arbeiten oft unter prekären Bedingungen: In vielen Architekturbüros sind Zwanzig-Stunden-Tage normal, unbezahlte Überstunden werden häufig als Selbstverständlichkeit gesehen. Wie geht man mit all diesen Herausforderungen um?

Junge Architekt:innen bauen die Zukunft

Für eine Gruppe von sechzig jungen österreichischen Architekt:innen lautet die Antwort: Taktischen Optimismus walten lassen und Visionen verfolgen. Wie kann man sozial gerechtere Häuser planen? Wie faire Arbeitsbedingungen für Architekt:innen schaffen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erarbeiten? Darf man angesichts des Klimawandels überhaupt noch bauen? Solche Fragen bildeten die Grundlage für ein in gemeinsamen Workshops und Interviews erarbeitetes Mapping, das Problematiken und Lösungsansätze zeigt. Es ist derzeit in der Ausstellung „Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende“, kurz „zkmb“, im Architekturzentrum Wien (AzW) zu sehen.

Nachhaltiger und sozial verantwortlich zu bauen: Das geht. Konkrete Beispiele dafür baumeln im AzW von der Decke. Auf einem der dort aufgehängten Kärtchen wird das Raum Pop-Up Café in Wien vorgestellt. Die Mitarbeiter:innen von joyjoy studio haben es mit einem kleinen Budget und ausschließlich mit im Keller gefundenen Büromobiliar gebaut.

Ein paar Schritte weiter, auf dem nächsten Kärtchen, erfährt man, was die Zentrale des POTENTIALe Festivals in Feldkirch besonders macht: Es ist ein Ort, an dem die Identitäten und Potenziale der Stadt in ihrer Vielfalt abgebildet und nachhaltige Nutzungskonzepte fokussiert werden. Gebaut wurde sie vom Architekturkollektiv Auf’strich, das diese Werte bereits in den Planungsprozess mit einbezog: Der Planungsprozess war kooperativ, respektvoll und für Planer:innen und Nutzer:innen gleichermaßen gewinnbringend.

Notwendiges Umdenken

Solche Projekte wirken wie Mini-Utopien. Sie stimmen hoffnungsvoll und zeigen, was alles möglich ist. Aber sie machen auch deutlich, dass noch viel passieren muss. Um die Baubranche nachhaltig zu verändern, brauche es strukturelle Veränderung, sagen die an „zkmb“ beteiligten Architekt:innen. Also ein Umdenken bei den Auftragnehmern, den Auftraggebern und der Politik. „Wir fordern“ steht daher auf einer der großen Infotafeln in der Ausstellung. Staatliche Förderungen sollen für ökologisch und sozial nachhaltige Bauprojekte aufgewendet werden. Honorierungssysteme für Architekt:innen sollen verändert werden. Und vieles mehr.

Der Wille zur Veränderung

Fast könnte man beim Lesen vergessen, dass nicht alle in der österreichischen Architekturszene sich dafür einsetzen, dass nachhaltiges, zukunftssicherndes Bauen von der Ausnahme zur Normalität wird. „Wir sind nur ein kleiner Teil von vielen jungen Architekt:innen. Wir können nicht für die gesamte Generation sprechen, sondern einzig Tendenzen aufzeigen und unsere Fragen, Forderungen und bereits erprobten Taktiken in diesem Mapping offenlegen und zu Kritik und Erweiterung einladen“, so das Kurator:innen-Team. Weiterdenken, das sei eine der zentralen Ideen ihres Projektes: „Wir sind nicht die Ersten, die sich diese Dinge überlegen. Und wir haben keine endgültigen Antworten.“ Aber viele Ideen und den Willen, etwas zu verändern.

© Lisa Rastl

TIPP

Ab in eine bessere Zukunft!

Wie kann Bauen und Wohnen nachhaltiger, verantwortungsvoller und sozial gerechter werden? Diese Frage hat sich eine Gruppe von sechzig jungen Architekt:innen aus Österreich gestellt. Ihre Lösungsansätze kann man derzeit im Architekturzentrum Wien sehen: in der Ausstellung „Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende“

 

Bild: Ausstellung „Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende“

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