Süßes oder Saures im Vulkanland
complete Magazin 07/23
In der Südoststeiermark sorgen ein paar Kulinarik-Pioniere für Freude am Gaumen. Wir haben sie im größten Obstgarten Österreichs besucht und in ihre Töpfe, Fässer und Flaschen geschaut.
Schon der Weg in die südöstliche Steiermark entschleunigt. Die Umgebung wird mit jedem zurückgelegten Kilometer grüner, die Fahrt wegen der toskanisch-kurvigen Straßen langsamer. Am Ziel wartet der größte Obstgarten Österreichs – hier vollbringen einige umtriebige Genussmenschen Erstaunliches.
Chin-chin! Oder Gin-Gin?
„Hochprozentiges ist mein Job!“ David Gölles ist zwischen Fässern groß geworden. Sein Vater ist einer der besten Edelbrand- und Essighersteller Österreichs. Im House of whiskey, gin & rum in Riegersburg brennt David nun sein eigenes Süppchen.
Im Gasthaus, in dem er einst Kindergeburtstage feierte, verkosten wir in stylischem Ambiente aus Glas, Metall und Beton seine Spirituosen. „Das Gebäude hab’ ich vor allem wegen des sechs Meter hohen Kellers gekauft.“ Denn bei Gölles zu Hause war kein Platz mehr für seine Fässer.
Vor der Verkostung führt David durch den Keller. Zurzeit lagern dort 900 Fässer gefüllt mit Gin, Rum und Whiskey. „Eine große Spielwiese!“, wie er sagt. Für die spezielle Note lässt der 38-Jährige seinen „Ruotker’s Whiskey“ auch mal in japanischen Shōchū-Fässern reifen, seinen Ron Johan Rum in früheren Sherryfässern aus amerikanischer Weißeiche. Für das Finishing kommt der „Old Plum Rum“ ein letztes Jahr ins „Gölles Alte Zwetschke“-Fass aus Papas Brennerei. In den „Hands On Gin“ kommen lediglich fünf Zutaten: Wacholder, Koriander, Zitronengras, Orangenschale und steirische Johannisbeere. Er ist Davids Bestseller.
727 weitere Spirituosen aus der ganzen Welt warten überirdisch im Shop; sie können glasweise probiert werden. Zum Schluss verrät David noch eine Neuigkeit: Bald kann man im House of Gin, Whiskey and Rum auch Zimmer und eine Ferienwohnung mieten. „Dann kannst du dich rundum sorglos durchkosten!“
Von Batteria, Glasballons und Essigmüttern
Nur zehn Minuten Autofahrt entfernt thront die Essigmanufaktur Gölles auf einem der vielen Streuobstwiesen-Hügel rund um die Riegersburg. Die Erfolgsgeschichte der Familie begann mit Großvater Alois Senior. 1958 verkaufte er die Milchkühe, um sich fortan ganz um Maschansker-Apfel und Schwarze Ribisel zu kümmern. „Früher hat man die besten Früchte gegessen, aus der zweiten Wahl wurde Saft gepresst, und der Rest wurde zu Schnaps“, berichtet Alois Gölles Junior. Er wollte es anders machen.
Mit Birne, Apfel und Zwetschke ging es los. Für das Brennen von 50 Liter Alkohol jährlich brauchten Obstbauern damals, zu Beginn der 1980er-Jahre, noch keine Lizenz. Das ist heute anders. Unverändert ist, dass seither die besten Früchte der Region vollreif, frisch und saftig in die Edelbrennerei von Alois Gölles kommen. „Wir destillieren nach dem traditionellen Doppelbrennverfahren in Kupferkesseln – ohne Zusatz von Zucker, Aroma- oder Farbstoffen.“ Zu feinen Glasballons, in denen die klaren Brände ausreifen, kamen bald schwere Holzfässer für die Essigherstellung. Denn die besten Früchte machen nicht nur besten Schnaps, sondern auch besten Essig.
Der stechende Geruch in Österreichs größtem Essigkeller ist intensiv. Tiefes Einatmen zwischen den 1.400 Eichenfässern, gefüllt mit 16 Essigsorten, sollten nicht geeichte Nasen vermeiden. Hier vergären Himbeeren, Quitten, Birnen, Marillen, Zwetschken und sogar Spargel und Tomaten. Zuvor wird dem Fruchtwein die Essigmutter zugesetzt – natürliche Bakterien, die Alkohol mit Sauerstoff in Essigsäure umwandeln.
Zum „Essigpapst“ wurde Alois Gölles, als er 1984 als Erster aus Äpfeln Balsamessig machte. 15 Jahre lang blieb er mit dieser neuen Essigspezialität weltweit einzigartig. Statt Trauben – wie beim Aceto Balsamico – vergärt er dafür eingedickten steirischen Apfelmost. Die darauffolgende Lagerung in – dank der Wasserverdunstung – immer kleineren Eichenfässern nennt man Batteria. Übrig bleibt 20 Jahre später ein kleines Fässchen zähflüssiger, süßer, fruchtiger Balsamessig – eines der kostbarsten Würz- und Genussmittel der Welt.
Schokoladenhochburg am Fuß der Riegersburg
Das Genussmittel Nummer eins wartet auf der anderen Seite des Berges: die Schokolade. Nimmt man das Fahrrad, dann kann man anschließend mit bestem Gewissen schlemmen, was das süße Zeug hält. Josef Zotter hat in Riegersburg ein Schoko-Imperium aufgebaut, das auf fairen Handel und nachhaltige Produktion baut. Der Busparkplatz vor der Schokolademanufaktur ist oft schon morgens voll. Schulklassen, Pensionist:innengruppen, Teambuilding-Gruppen, sie alle wollen nur eins: naschen!
Schokoladentheater, essbarer Tiergarten, Kinofilm, Kunst Park, Running Schoko: Was der damals 26-jährige Josef Zotter vor 35 Jahren als Konditorei mit Schokoladenexperimenten im Hinterzimmer begann, ist heute eine Erlebniswelt, in der Roboter namens Max und Moritz Besucher:innen Schoko-Popcorn und -Flakes kredenzen. Das Familienunternehmen exportiert seine Kreationen an 4.000 Vertriebsstellen in der ganzen Welt.
Auf dem Schokoladenfriedhof nebenan ruhen Flops wie Olive-Zitrone, Pefferschrot-Minzöl und Zimt-Grammel. Nicht alles war so beliebt wie die etwa 500 Schokoladeprodukte, die es aktuell im Shop und online zu kaufen gibt. Zotter Schokolade ist Fairtrade und bio. Jeden Tag werden aus etwa 400 unterschiedlichen Bio-Zutaten in der Manufaktur in Riegersburg Klassiker wie Mitzi Blue oder Labooko.
Produziert wird zu 100 Prozent Bean-to-Bar: Von der Kakaobohne bis zur fertigen Tafel entsteht jede Schokolade in der steirischen Schokofabrik. Seit Neuestem kann man hier auch seine eigene Schokolade kreieren. Mit Füllung, Blüten oder Gewürzen. Für Verspielte in Hund-, Fisch oder Ziegenform, als Herz, Blume, Auto oder klassisch als Tafel. 20 Milliarden Möglichkeiten, es annähernd so gut hinzukriegen wie Josef Zotter.
Patisseriekunst vom Zuckerbäcker
Zehn Autominuten weiter südlich, in Feldbach, ist Zuckerbäcker Dominik Fitz bei „Einfach Fitz“ der Hahn im Korb. Mit seiner Freundin Melanie Böhme und einem sechzehnköpfigen Frauen-Team führt der mehrfach international prämierte Patissier die Tradition einer über 120 Jahre alten Zuckerbäckerdynastie fort. 2021 übernahm er das traditionsreiche Stammhaus der Familie – und ließ es abreißen. Heute steht dort eine moderne Manufaktur mit Glasfront, die den Blick auf die Entstehung seiner süßen Kunstwerke freigibt.
Ehemals eine traditionelle steirische Lebzelterei, sind Dominiks Spezialität heute Macarons, Bûche, Petit Fours und kunstvolle Törtchen. Fette Malakofftorte war hier gestern, seine Kunstwerke sind klein und fein und tragen Namen wie Schokotraum, Himbeerstein, Raupe oder Omas Liebling. „Die Schaumrolle aus meiner Kindheit gibt’s aber immer noch!“
TIPP
Ruotkers – House of whiskey, gin & rum
David Gölles
Lembach 16, 8333 Riegersburg
https://ruotkers.at
Essigmanufaktur Gölles
Stang 52, 8333 Riegersburg
www.goelles.at
Zotter Schokoladen
Bergl 56, 8333 Riegersburg
www.zotter.at
Einfach Fitz
Bürgergasse 1, 8330 Feldbach
www.einfach-fitz.at
Bild: Dominik Fitz und Melanie Böhme in der Zuckerbäckerei Einfach Fitz in Feldbach