Mei so klein, mein Schweinderl!

George Clooney war der Erste. 1988 strahlte er mit Max, dem Hängebauchschwein, in die Kameras. Miley Cyrus, David Beckham und Paris Hilton folgten mit ihren It-Ferkeln. Mittlerweile sind sie ein Must-have geworden. Kleine Zuchtrassen sind besonders gefragt. Sie heißen Göttinger Minischwein, Bergsträßer Knirps oder Kune Kune – das ist eine neuseeländische Sorte. Auf Maori bedeutet kunekune „fett und rund“.

Der Begriff „Teacup Pig“ für ein Minischwein hört sich fein an. Doch die meisten der „Teetässchen“ wachsen sich zu vierzig bis siebzig Kilo aus, das klingt nicht nach Teekanne. „Laut Verordnung darf ein ,Minischwein‘ bis zu 120 Kilogramm auf die Waage bringen“, weiß die Züchterin und Veterinärmedizinstudentin Michaela Wese. Seit zehn Jahren züchtet sie auf einem Biobauernhof amerikanische Minischweine. Paradebeispiel für ein aus den Fugen geratenes Ferkel ist „Minischwein“ Esther (www.estherthewonderpig.com). Als fette Sau wurde sie zur Social-Media-Berühmtheit. Man hatte ihren Besitzer:innen ein Zwei-Kilo-Ferkelchen als „klein bleibend“ verkauft, dennoch wuchs es über die Jahre zu einer 300-Kilo-Schweinedame heran. Auch aus „echten“ Minis werden irgendwann Maxis. Nach vier Jahren sind Schweine ausgewachsen und aus meerschweinchengroßen Ferkeln, die man für süße Fotos in Teetassen stopft, zumindest kniehohe Borstentiere geworden. Je nach Rasse erreichen sie eine Schulterhöhe von bis zu fünfzig und eine Körperlänge von bis zu hundert Zentimetern. Und sie werden bis zu 15 Jahre alt.

Fachverbände und Vereine äußern seit Jahren ihre Sorge über den Minischwein-Boom. Er gefährdet die Tiergesundheit durch Überzüchtung und Haltungsfehler. „Die Tiere werden ausgesetzt, geschlachtet oder abgegeben, wenn sie zu groß werden.“ Auf Michaela Weses Hof wohnen vier Göttinger Minischweine, die überforderte Schweinehalter:innen loswerden wollten. Miss Piggy landet also, wenn sie sich zur Mrs. ausgewachsen hat, am nächsten Gnadenhof. 

„Reine Wohnungs- oder Einzeltierhaltung ist strikt verboten“, erklärt Michaela Wese, während sie durch ihre Minischweinefarm im Waldviertel führt. Hier leben ihre 18 Minischweine 365 Tage draußen. „Mit Erde unter den Füßen und frischer Luft!“ Stinki, Daisy, Zweindl, Mona und Schmusi kommen sofort grunzend angelaufen. Kleine Holzhütten dienen den zutraulichen Schweinchen als Unterschlupf. Ohne Gummistiefel geht hier nichts.

„Von Minischweinen haben leider viele ein komplett falsches Bild.“ Kopfschüttelnd erinnert sich Michaela an eine Frau, die in High Heels naserümpfend in ihren Stall spaziert ist. „Viele Züchter:innen erzählen den Kund:innen, was sie hören wollen – auch was ihre Größe betrifft.“ Ihre Minischweine gibt Michaela nur zu zweit ab. „Sie sind Rudeltiere und sehr sozial, leiden daher psychisch, wenn sie allein sind, und werden zum ,Problemschwein‘. Weder Hund noch Katze können das zweite Schweinchen ersetzen!“

Was gebräuchliche Schimpffloskeln behaupten, gilt für die rosa Rüssler nicht. Im Gegenteil: Sie sind ausgesprochen intelligent und reinlich. Studien schreiben Schweinen ähnliche Intelligenz wie manchen Primaten zu. Sie sind um Längen klüger als andere Haustiere, lösen Probleme eigenständiger als Hunde, merken sich mehr Kommandos und erkennen sich selbst im Spiegel. Im österreichischen „Clever Pig Lab“ wurde bis 2022 das Verhalten von 37 Kune-Kune-Schweinen erforscht. Fazit: Sie erkennen Gesichter, lernen durch Beobachtung und haben unterschiedliche Persönlichkeiten.

Wie unrealistisch Vorstellungen sind, die von Minischweinen kursieren, zeigen Bilder auf Social Media. Minischweine an der Leine, im Louis-Vuitton-Körbchen schlafend, stets rosa, sauber und selten älter als ein paar Wochen. Die Realität sieht anders aus: erdverkrustet, schmatzend und müffelnd. In Österreich ist die Haltung von Miniaturschweinen in der Tierhaltungsverordnung geregelt. Sie sieht für die Tiere Ställe mit Stroh und ständigem Zugang zum Auslauf vor. Zwei Quadratmeter Stall und einen Auslauf von zehn Quadratmetern braucht jedes Schweinchen – Schlammloch inklusive. Aus der Traum vom Familienschwein in der Wohnung. Und im Garten? Minischweine sind keine Wildschweine, trotzdem stehen sie auf Graben und Wühlen. Rasen nach ihrem Grasen? Ein frommer Wunsch.

Wie wurden die Schweine mini? Dank der Forschung. Im Labor sind 200 Kilo aufwendiger zu versorgen als die Miniversion. Amerikanische Labore entwickelten in den 1940er-Jahren das Minnesota Minipig. 2015 machte die weltweit größte Genomforschungsorganisation, die chinesische BGI Group, Schlagzeilen mit einem gentechnisch veränderten Schwein. Angekündigt wurde, die Tiere auch als handliche Haustierchen zu verkaufen. Daraus wurde bislang nichts.

„Schweine sind so bezaubernde Tiere!“ Verspielt, niedlich und schlau nennt Michaela ihre kurzbeinigen Knirpse. „Minischweine haben eine faszinierende Wirkung auf Menschen.“ Bei Streichelnachmittagen auf ihrem Hof beobachtet sie immer wieder den positiven Effekt – bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. „Wenn ich selbst unruhig oder aggressiv bin, wird mir kein Schwein zugehen.“ Freude, Lachen, Ruhe und Entspannung kommen im Beisein der fröhlichen Borstenviecher von allein. Schwein muss man eben haben. Aber so, wie es ihm gefällt.