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Entspannter Herbst in Cinque Terre

complete Magazin 2024

Der Herbst ist die beste Zeit, um den Nachtzug zu besteigen und die nun nicht mehr von Reisenden überfüllten Küstendörfer im Nationalpark Cinque Terre zu erkunden. Das Auto kann zuhause bleiben, denn die fünf malerischen Dörfer an den steilen Felsen der ligurischen Küste lassen sich über eine historische Bahnstrecke besser erreichen.

Fünf malerische Orte – hier Manarola – reihen sich an den etwa 15 Kilometer langen felsigen Küstenstreifen
© Karin Wasner
So leer sind die 120 Kilometer Wanderwege im Nationalpark Cinque Terre nur selten
© Karin Wasner
Abseits der Saison sind die Strände der ligurischen Küste magisch. Besonders der einzige Sandstrand der „Fünf Länder“, Monterossos Strand Fegina
© Karin Wasner
In Riomaggiore, dem östlichsten Dorf, blieb die mittelalterliche Struktur mit eng nebeneinander stehenden Turmhäusern erhalten
© Karin Wasner

Hell, finster, hell, finster, Tunnel, Meerblick, Tunnel, Meerblick – eine Zugreise in die italienischen Cinque Terre. 1874 wurde die Eisenbahnstrecke von Genua nach La Spezia durch die „fünf Lande“ entlang der ligurischen Riviera eröffnet. Mehr als zehn Jahre dauerte ihr Bau, ein Drittel der Strecke wurde mühsam in den Felsen gehauen. Jedes der fünf Küstendörfer Monterosso, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore bekam einen eigenen Bahnhof. Wie Vogelnester kleben die Siedlungen an schroffen Klippen. Damals eingleisig, führt die Strecke über 23 Brücken und Viadukte, aber vor allem durch Tunnel.

Vom Weltkulturerbe zum Nationalpark
Jahrhundertelang waren die fünf Dörfer entlang des etwa fünfzehn Kilometer langen Küstenstreifens nur vom Meer aus zu erreichen. Die Menschen lebten früher von Fischfang und Weinbau und schufen eine terrassenförmige Kulturlandschaft rund um ihre Dörfer. Verschachtelt, in den Felsen gebaut, stehen bunte Häuser in schmalen Gassen. Jedes von ihnen ein Postkartenmotiv. Autos finden in den Dörfern kaum Platz. Seit 1997 ist Cinque Terre, die „Fünf Länder“, samt ihrer Wein- und Oliventerrassen Weltkulturerbe der UNESCO, seit 1999 auch Nationalpark. „Um die Dörfer zu schützen“, erklärt Simone. Sie verkauft in einem Feinkostladen in Corniglia selbst gemachte Foccachia und Pesto. Nationalpark bedeutet: keine hässlichen Bettenburgen, keine schicken Boutique-Hotels. Hier darf seit 25 Jahren nichts neu gebaut oder verändert werden.

 

Vier Millionen Touristen auf einem Quadratkilometer
Das klingt, als würden in Cinque Terre die Uhren stillstehen. Leider nein. Die Bahn war Segen und Fluch zugleich. Sie brachte erst Arbeit, dann den Tourismus. Rund vier Millionen Menschen besuchten 2023 Cinque Terre – das Zuhause von nur etwa 3.500 Einwohner:innen. Viele von ihnen hüpfen im Hafen von La Spezia für ein paar Stunden von einem der Kreuzfahrtschiffe, andere besuchen die Region für einen Tag während ihrer Italienreise. „Alle folgen denselben ausgetretenen Routen“, klagt eine Mutter, die sich gerade mit schweren Einkaufstaschen und zwei Kleinkindern ihren Weg durch eine Touristengruppe gebahnt hat. 

 

Lösungen für sanften Tourismus
Gemeinsam suchen die lokalen Behörden nach Möglichkeiten, die Touristenströme zu lenken. Laut einer Studie zur Mobilität sind die Sommermonate mit 344.000 Ankünften im Juni, 345.000 im August und 338.000 im September die problematischsten. In diesem Sommer wurden daher erstmals Einbahnregelungen auf Wanderwegen und individuelle Zugangsbeschränkungen getestet. „Die Situation hat sich mehrmals als kritisch erwiesen, auf den Bahnsteigen, in Tunneln und in den Jachthäfen“, erklärt die Bürgermeisterin von Riomaggiore, Fabrizia Pecunia, in einer italienischen Tageszeitung. An bestimmten Tagen wurde der bei Tourist:innen besonders beliebte Wanderweg „Sentiero Verde Azzurro“ abschnittsweise als Einbahn geführt. An seinen Ein- und Ausgängen kontrollierte das Nationalparkpersonal den Zugang und prüfte, ob die Besucher:innen entsprechendes Schuhwerk für den an manchen Stellen steilen und unwegsamen Pfad trugen.

 

Wandern mit Meerblick abseits der Saison
Es ist Oktober. Auf dem Sentiero Verde Azzuro gehen wir beinahe allein. Meer und Himmel leuchten nicht mehr ganz so blau, dafür die Vegetation grüner. Etwa 120 Kilometer Wanderwege führen durch den Nationalpark Cinque Terre. Der Sentiero war einst neben dem Seeweg die einzige Verbindung zwischen den fünf Orten. Auf dem Saumpfad wurden mit Hilfe von Pferd und Esel Güter transportiert. Zwischen Corniglia und Vernazza erweist sich der Weg stellenweise als steil und schmal. Noch vor einer Stunde hat es geregnet, Trittsicherheit ist wichtig. Wenn die Sonne herauskommt, schwitzen wir auf dem etwa 3,2 Kilometer langen Weg selbst im T-Shirt. Der steinerne Weg hoch über dem Meer führt uns entlang von Trockenmauern, hinter denen sich alte Olivenbäume an die steilen Hänge klammern. Zwischen Ginster, Zistrosen und knorrigen Steineichen schauen wir immer wieder gebannt auf das Ligurische Meer tief unter uns.

 

Vernazza bei Regen
Den mittelalterlichen Turm von Vernazza erreichen wir im Sprühregen. Ein italienisches Paar macht Selfies auf der Aussichtsplattform. Im Sommer drängen sich hier Hunderte Besucher:innen um ein Erinnerungsfoto. Statt mit bunten Shorts und Sonnenhüten ist der historische Ortskern zu dieser Zeit mit farbenfrohen Booten gefüllt. Sie wurden von ihren Besitzer:innen vor der stürmischen See ans sichere Land gebracht. Starker Seegang und hohe Wellen verwandeln zu dieser Zeit den kleinen Hafen zu einem Drehort für spektakuläre Instagram-Videos. Stattdessen italienische Gemütlichkeit in den kleinen Restaurants und Cafés entlang der Via Roma und der Via Visconti. Auf den Tellern Trofie al Pesto, in den Gläsern Sciacchetrà, ein beliebter Dessertwein aus der Region. Für die geschäftigen Einheimischen ein schneller Espresso aus dem Pappbecher. Aufatmen nach einem anstrengenden Sommer.

 

Einsame Strände im Herbstlicht
In Wanderschuhen und mit einiger Puste erreichen wir im felsigen Cinque Terre auch einen Strand. Sonnenliege, Schirm und Gummitier haben hier keinen Platz. Die meisten Strände sind nichts für Menschen, die gern mit gefüllten Kühltaschen kommen, um zu planschen. Nahe des Dorfes Corniglia führte noch vor einigen Jahren ein stillgelegter Eisenbahntunnel zum Strand Guvano. 1,5 Kilometer lang, unbeleuchtet und baufällig, wurde er aus Sicherheitsgründen gesperrt. Auch der steile Abstieg ist nichts für schwache Nerven. Dafür erweist sich dann der schmale Kiesstreifen als Hotspot für Nacktbadefreuden. Zum einzigen FKK-Strand der Region gelangt man am bequemsten und sichersten per Boot. Müde Wandersleute, die Strandvergnügen mit Eis, Toiletten und Sand zwischen den Zehen bevorzugen, finden dies am einzigen Sandstrand der Cinque Terre: am Strand Fegina in Monterosso. Im Sommer reiht sich hier Schirm an Schirm. Jetzt im Herbst teilen wir den glitzernd-weißen Streifen mit zwei Mädchen, die Muscheln suchen und Wellen jagen.

© Karin Wasner

TIPPS

Cinque Terre Card
Inkludiert sind: Wanderwege und Zugfahrten mit den Regionalzügen auf der Strecke Levanto - La Spezia.

Parco Nazionale Cinque Terre
Alle Infos zu Nationalpark, Marineschutzgebiet, Sehenswürdigkeiten und Wanderwegen findet man in den Nationalparkbüros in jedem der fünf Orte und online.

Agriturismo L’Uliveto nel Parco
Auf dem Hof von Franco und Silvana schläft man umgeben von 9 Hektar Oliven-, Wein- und Obstgärten in einem historischen Steinhaus und genießt ihre tollen Produkte und den Blick auf Monterosso und das Ligurische Meer.

Gelateria Alberto
Das beste Eis der Cinque Terre macht Alberto in der Via Fieschi in Corniglia. Das Limone-Basilikum-Eis ist jede einzelne der 377 Stufen wert, die man vom Bahnhof ins Dorf hinaufschnaufen muss.

http://www.italia.it

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