Schatz, ich bin im Garten!
complete Magazin 08/23
Einen Garten pflanzen heißt an morgen glauben. Reinhard Kittenberger hat bei Langenlois einen Garten von der Größe von 42 Fußballfeldern angelegt und macht vor, wie das naturnah und ressourcenschonend klappt.
„Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die zweitbeste ist heute.“ Das chinesische Sprichwort verwendet Reinhard Kittenberger hörbar nicht zum ersten Mal. Er ist einer der erfolgreichsten Gartenplaner Österreichs. Seine Erlebniswelt in Schiltern bei Langenlois in Niederösterreich umfasst 30 Hektar: über fünfzig Schaugärten, eine regelmäßig bespielte Outdoorbühne, Restaurant, Café, Abenteuerspielplatz, Gartenshop und seit Jahresbeginn auch 20 Urlaubs-Chalets rund um zwei Naturbadeseen.
Sehnsuchtsort Garten
Hummeln brummen, eine Amsel zetert, auf den schweren Köpfen der Sonnenblumen landet ein Zitronenfalter: was gibt es Schöneres, als barfuß durch einen Garten zu streifen? Gärten sind Orte der Sehnsucht – und Orte des Schweißes. Der Schweiß kommt in Träumen vom Sehnsuchtsort aber eher selten vor. Vielmehr sind das Marmeladesemmerl in der Gartenlaube und Lesenachmittage in der Hängematte Hauptakteure. Dabei heißen die wahren Protagonisten Sonnenbrand, Gelsenstich und Muskelkater. Gern unterschätzen angehende Gärtner:innen, wie viel Planung und Arbeit im üppigen Blüten-neben-Grün steckt. Anstrengungslos zu haben sind nur Brennnesselmeer, Hollergebüsch oder Rasen, den ein Roboter laufend im Viereck auf Plastikoptik trimmt. „Schau dir hundert Gärten an, bevor du mit deinem eigenen beginnst“, empfiehlt Gartengestalter Kittenberger deshalb und es klingt fast wie eine weitere chinesische Weisheit.
Aus 3.000 mach 300.000
„Meine Großmutter hat mir einst geraten, das Grundstück am Bründl von Schiltern zu kaufen“, erzählt Kittenberger. Siebzehn sei er zu jener Zeit gerade gewesen. Und der großmütterliche Rat hat nichts an Aktualität eingebüßt: Wasser ist heute wie damals vor 55 Jahren die Voraussetzung, wenn es grün werden soll. 3.000 Quadratmeter um 70.000 Schilling – damit fing für Reinhard Kittenberger alles an. Mit 21 Jahren startete Kittenberger sein Business, begann Pflanzen zu ziehen, Saatgut zu sammeln und zu vermehren. „Pflanzen waren schon immer meins.“ Als kleiner Bub sammelte er Kakteen, bis im Haus kein Platz mehr war. „Kreativ sein, gestalten, tüfteln und etwas Neues kreieren begeistert mich noch mehr.“ Also konzentrierte er sich auf die Gartengestaltung. Erst plante er Gärten im Bekanntenkreis, bald für Kund:innen. Ende der 1980er-Jahre baute er als einer der ersten in Österreich Naturschwimmteiche. Der erste Schaugarten entstand 1996. „Das hab’ ich mir in Holland und England abgeschaut.“ Nach dem „Waldviertler Heidegarten“ folgte der japanische, dann der toskanische. Seit 2006 kommt jedes Jahr ein neuer Themengarten dazu.
Nach Omas Gemüsegarten führt Kittenberger in den Gesundheitswassergarten und durch das Gartenzwerge-Labyrinth. Highlight ist die neun Meter hohe Kräuterspirale mit 40 Meter Durchmesser und 400 Metern Wegenetz. Von ihrem höchsten Punkt aus überblickt man die ganze Pracht. Schon lange reicht das „Bründl“ für die Bewässerung der inzwischen 30 Hektar Land – eine Fläche von gut 42 Fußballfeldern – nicht mehr aus.
Wie viel Grün steckt im Grün?
Dreihundert Kubikmeter Wasser schluckt die Grünanlage pro Tag. Dafür hat Reinhard Kittenberger ein Wassersammelsystem gebaut, das Regenwasser in einem 5.000 Kubikmeter großen unterirdischen Reservoir sammelt. „Der Klimawandel fordert von allen ein Umdenken.“ Die Kittenberger Erlebnisgärten werden nach den strengen Kriterien von „Natur im Garten“ gepflegt. Ein Großteil der Gebäude auf dem Gelände ist begrünt, einige sind inzwischen auch wandbegrünt. „Das spart die Klimaanlage.“ Eine 160 KW starke Photovoltaikanlage sorgt für Strom, Parkplätze werden klimasensibel mit dem Schwammstadt-Prinzip gebaut, das den Wurzeln mehr Raum lässt, um Regenwasser aufzunehmen. „Das Wichtigste im Garten ist ein guter Boden.“ Naturnahes Bauen und Gärtnern sind gefragt. „Nur jeden zweiten Tag gießen!“ Das bringe die Pflanzen dazu, tiefer zu wurzeln, sagt der Garten-Profi.
Torffrei gärtnern
Wie viel Natur in einem Garten steckt, bestimmt der Gärtner oder die Gärtnerin. Denn: Wer gartelt, ist nicht zwangsläufig Naturschützer. Gestaltung und Pflege, Erde, Dünger, Schädlingsbekämpfung – jeder einzelne Bereich wirft Fragen nach dem Wie auf. „Aktuell ist es fast unmöglich, Pflanzen in torffreier Erde zu bekommen.“ Für den Gartenbau wurden 2021 nach Österreich 133.000 Tonnen Torf importiert. Doch: „Torf ist ein wichtiger CO2-Speicher, es ist eine Schande, ihn noch immer abzubauen.“ Ein Grund, warum Reinhard Kittenberger nach 40 Jahren zu seinen eigenen Wurzeln zurückkehrt und mit vier Lehrlingen eine Baumschule und Gärtnerei startet. Statt Torf verwenden sie den eigenen Kompost und Hackschnitzel, Abfälle aus dem Forst.
Kultur vs. Natur
Kittenbergers Gärten sind nicht nur Selbstzweck, sondern auch grüne Bühne: Peter Cornelius war schon da, Ritter Rost kommt jeden Sommer, und bald schaut Philipp Hochmair als Werther wieder vorbei. Wem Wasserplätschern und Bienensummen zu leise und langweilig sind, besucht eines der Kulturevents, die regelmäßig auf der Freiluftbühne stattfinden. Kabarett unter Sternen genauso wie ein Klassik-Konzert der drei jungen Tenöre. Beim Adventzauber hat dann der Chef seinen großen Auftritt – singend und tanzend umgeben von 400.000 Lichtern. „Da ist ja im Garten dann grad nichts zu tun!“
TIPP
1. 9.: Orchester Wolfgang Lindner & die 3 jungen Tenöre
8. 9.: „Werther!“ Nach Goethe mit Philipp Hochmair
9. 9.: Gartengestaltung-Experten-Tag
15. 9.: Kräuterspaziergang „Heimische Superfoods“
16. 9.: Fachexperten geben Tipps zu Naturpools, Schwimmteichen, Dach- & Wandbegrünungen
Bild: Gartengestalter Reinhard Kittenberger