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Pas de deux in Paris

complete Magazin 07/23

In Paris weiß man, wie Kunst geht: überraschend, frech und nie fad. Picasso bekommt ein Remake, Chagall strahlt multimedial, und in der Fondation Louis Vuitton begeistern zwei Pop-Art-Päpste.

Die Fondation Louis Vuitton liegt inmitten des Jardin d’Acclimatation im Bois de Boulogne
© Iwan Baan/Fondation Louis Vuitton
Das Cross-over der beiden Pop-Art-Giganten spiegelt den Spirit der New Yorker Kunstszene der 80er Jahre wider
© Fondation Louis Vuitton/Marc Domage
Der amerikanische Architekt Frank Gehry entwarf den Kunsttempel nach Vorbild einer Segeljacht
© Iwan Baan/Fondation Louis Vuitton
Ring frei: Starfotograf Michael Halsband schuf die ikonischen Boxer-Porträts von Warhol und Basquiat
© Michael Halsband/Fondation Louis Vuitton/Marc Domage

Paris? Immer eine gute Idee, schwärmt Audrey Hepburn als Sabrina Fairchild in Billy Wilders Film „Sabrina“. D’accord. Croissants, Romantik und vor allem Kunst. Aktuell gibt es im Schmelztiegel der Avantgarde viel zu sehen: Marc Chagalls Werke erhalten im Atelier des Lumières einen multimedialen Twist. Im Marais, dem jüdischen Viertel mit der Künstlerkolonie Cité internationale des arts, hat Modeikone Sir Paul Smith dem Picasso-Museum einen neuen Anstrich verpasst.

Für einen Besuch der Fondation Louis Vuitton gibt es gleich mehrerlei Gründe: etwa, um hier in Neuilly, dem vornehmsten Vorort der Stadt am Bois de Boulogne, einen Blick auf das Pariser Großbürgertum zu werfen. Außerdem steht hier ein Gebäude, das in der Nachbarschaft fast so viel Gegenwehr hervorrief, als hätte man eine Müllverbrennungsanlage in die Nobel-Enklave geklotzt. Dabei handelt es sich um das Spätwerk des weltberühmten Architekten Frank Gehry, die Fondation Louis Vuitton.

Ein Kunsttempel setzt die Segel

2014 eröffnet, ist das Privatmuseum eine Extravaganz des aktuell reichsten Mannes der Welt, Bernard Arnault, CEO des Luxusgüter-Konzerns LVMH. Mit einer futuristisch aussehenden Fassade aus 3.600 opaken Glaspaneelen und gewundenen Stahlstrukturen erinnert es an ein Schiff mit geblähten Segeln. Oder einen Eisberg. Der 11.000 Quadratmeter große Kunsttempel sollte einen Gegenpol zum angestaubten Klassizismus der Umgebung bilden und ein Museum mit internationaler Strahlkraft werden. Einige Architekturkritiker:innen urteilten, Gehrys Bau sei eher eine pompöse Demonstration von Arnaults Macht als eine Bühne für die Kunst.

Hinter einer Brüstung vor dem Eingang des Gebäudes fallen Wasserkaskaden tosend in ein Becken. Dann betritt man eine Hightech-Eventlocation mit außergewöhnlicher Akustik. Hier spielte beim Eröffnungskonzert am 24. Oktober 2014 der chinesische Pianist Lang Lang auf einem Steinway.

Die Ausstellungshallen des Museums befinden sich auf vier Ebenen. Im Kontrast zur gewölbten Gebäudehülle haben die konventionellen und fensterlosen Säle gerade Wände. Wer mag, steigt dem gläsernen Kulturtempel aufs Dach und trinkt auf einer der sonnigen Terrassen einen Café au Lait mit Blick auf den Jardin d’Acclimatation und die Skyline von La Défense.

Ein Pas de deux der amerikanischen Pop-Art

Derzeit in der Fondation Louis Vuitton zu sehen: „Basquiat × Warhol. Painting Four Hands“. Die beiden US-amerikanischen Künstler haben zwischen 1984 und 1985 gemeinsam rund 160 Gemälde vierhändig kreiert. Die Werke machen die enorme Schaffenskraft von Jean-Michel Basquiat (1960–1988) und Andy Warhol (1928–1987) spürbar und vermitteln die Energie der New Yorker Kunstszene der 1980er-Jahre. Man erfährt von der Dynamik des intensiven künstlerischen Austauschs und der ebenso intensiven wie ambivalenten persönlichen Beziehung der beiden. Basquiat bewunderte Warhol als Gamechanger der Kunstwelt und Papst der Pop-Art. Warhol kam dank des „Jungen Wilden“ Basquiat zur Malerei im großen Maßstab. Warhols Motive wie Logos von General Electric, Paramount und den Olympischen Spielen bilden die Basis für Serien von Kunstwerken, die die Ausstellung zeigt. Weiteres Highlight: die monumentale Skulptur „Ten Punching Bags (Last Supper)“, bei der das ungleiche Duo mit zehn Boxsäcken eine skulpturale Darstellung von Leonardo da Vincis „Letztem Abendmahl“ nachempfand. Ein künstlerischer Zeitgenosse der beiden, Keith Haring, bezeichnete den Pas de deux der beiden als „eine Art körperlicher Dialog, der sich durch Farben ausdrückte und nicht durch Worte“. Die Ausstellung läuft noch bis 28. August 2023.

 

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© Iwan Baan/Fondation Louis Vuitton

TIPP

Frank Gehrys Museumsbau feiert 2024 sein zehnjähriges Bestehen. Derzeit zu sehen: gemeinsame Werke von Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat. Ab dem 18. Oktober 2023 am Programm: eine Retrospektive, die dem abstrakten Expressionisten Mark Rothko gewidmet ist. www.fondationlouisvuitton.fr

Den 50. Todestag von Pablo Picasso zelebriert man mit einer charmanten Neugestaltung, die die Handschrift des britischen Modedesigners Paul Smith trägt. https://www.museepicassoparis.fr

Die ehemalige Stahlgießerei ist Zentrum für zauberhaft-multimediale Kunstinstallationen – noch bis Januar 2024 mit den poetischen Werken Marc Chagalls. www.atelier-lumieres.com

Im Palais de Chaillot beleuchtet die Cité de l’architecture et du patrimoine die Beziehung zwischen dem Ingenieur Gustave Eiffel und der Stadt der Lichter. https://www.citedelarchitecture.fr

In einem historischen Herrenhaus huldigt man der Haute Couture. Die Besucher:innen tauchen ein in die fabelhafte Welt des Hauses Christian Dior. www.galeriedior.com

Bild: Das riesige Bassin vor dem Gebäude betont den Schiffscharakter des Museums

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