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Faszination Seewinkel

complete Magazin 06/23

Der Seewinkel des Neusiedler Sees ist für Naturbegeisterte ein Sehnsuchtsort. Natürlich auch für alle, die besondere Weine lieben. Zwei Weinhauer stellen wir vor

Die Vogelwelt im Nationalpark Neusiedler See lockt Vogelinteressierte aus aller Welt an. Auch Reitsportbegeisterte kommen hier auf ihre Kosten
© Nini Tschavoll
Die Artenvielfalt der Steppenlandschaft im Seewinkel ist einzigartig
© Nini Tschavoll
Winzer und Ökopädagoge Michael Andert arbeitet auf seinem Hof biodynamisch im Einklang mit der Natur
© Nini Tschavoll
Josef Tschida tüftelt in Pamhagen im Seewinkel mit seiner Familie am Wein
© Nini Tschavoll

Der Neusiedler See ist einer der wenigen Steppenseen in Europa. Zuletzt trocknete er 1865 aus. Damals freute man sich über das Ackerland. Der See dehnt sich, je nach Wasserstand, rund 320 Quadratkilometer aus. Etwa drei Viertel davon liegen in Österreich, der kleinere Teil gehört zu Ungarn. Fast die Hälfte ist mit Schilf bewachsen, was das Gewässer zu einem wertvollen Naturreservat macht. Rund 350 Vogelarten tummeln sich im Laufe der Jahreszeiten hier: Uferschnepfen, Kiebitze, Rohrdommeln, Stelzenläufer und viele andere sind Objekte der Begierde für Birdwatcher und Ornithologen, die sich, ausgerüstet mit Ferngläsern und Teleskopen, auf burgenländische Steppensafari begeben.

Wie der Seewinkel zu seinem Namen kam

Der Seewinkel hat seinen Namen von der L-förmigen Ausdehnung im Osten des Sees. Gemeint war damit ursprünglich der Bereich um die Orte Podersdorf, Apetlon und Illmitz, die sich in diesem gedachten Winkel befinden. Nordöstlich nannte man die Gegend Heideboden, südöstlich Hanság, der ungarische Begriff für Wasen.

Diese alten Zuschreibungen werden heute kaum noch verwendet. Weinkenner:innen wissen, dass mit Heideboden die ebenen, zum See auslaufenden Weingärten gemeint sind. Der Hanság ist eine Niedermoorlandschaft an der österreichisch-ungarischen Grenze südöstlich des Sees. Dieses Feuchtgebiet wurde um 1900 durch ein weitverzweigtes Kanal- und Grabensystem weitgehend in den Einser-Kanal Richtung Ungarn entwässert und für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Heute ist dieser Eingriff eine der vielfältigen Ursachen für das Austrocknen der Lacken und Böden.

Es heißt, das Burgenland wäre ohne Seewinkel wie Tirol ohne Berge. Im flachen Land verstellen keine Anhöhen die Sicht. Hier befindet sich der tiefste Punkt Österreichs. Nahe Apetlon steht an einer Wegkreuzung eine große Tafel, die den Tiefpunkt von 114 Metern markiert.

Die schier endlosen Weiten der Landschaft lassen bildschirmgestresste Augen ungehindert schweifen und zur Ruhe kommen. Zwischendurch kommen aufsteigende Vogelschwärme in den Blick oder imposante Graurinder, die friedlich im Nationalpark grasen. Das ideale Fortbewegungsmittel, um diese einzigartige Gegend zu erkunden, ist das Fahrrad. Wer den Überblick behalten will, besteigt hie und da einen der Aussichtstürme mitten in der Steppenlandschaft. Vielleicht ist am Horizont in einem der umliegenden Dörfer ja schon ein Heuriger zu sehen – als würdiger Abschluss einer Radtour.

Ziemlich wildes Zeug in Pamhagen

In einer ruhigen Gasse in Pamhagen geht ein ordentlicher Tumult los, als wir am Gartentor der Familie Andert anläuten. Hofhündin Khaleesi schlägt an und ist erst wieder zu stoppen, als Michael Andert Minuten später barfuß, in hochgekrempelten Jeans und mit lässigem Strohhut vom Mittagessen kommt. „Kummts eina“, winkt er uns freundlich in seinen Hof, vorbei an seiner endlich verstummten, dafür heftig schwanzwedelnden Hüterin des Hauses.

Dass wir bei einem außergewöhnlichen Winzer gelandet sind, wird klar, als er das Tor zu seiner Scheune mit Hofladen öffnet: Von der Decke hängen große Büschel unterschiedlicher Kräuter. Es duftet nach Salbei, hier finden sich aber auch Lorbeer, Estragon und Eberraute, das berühmte Cola-Kraut. Die Regale sind voll mit Kräuteransätzen, Ölen und Säften.

Andert ist zertifizierter Öko- und Kräuterpädagoge und gibt sein Wissen gern weiter. Schulklassen kommen tageweise zu Workshops auf seinen Hof und lernen, essbare Pflanzen zu erkennen, zu ernten und sie am Ende zu schmackhaften Gerichten zuzubereiten. „Wenn sich die Kinder erst anstellen und nicht gleich mitmachen, sage ich immer: Wenn du nicht mithilfst, liegt am Mittag nichts auf deinem Teller“, lachte er. Der gelernte Weinbau- und Kellerwirtschaftsmeister will den Menschen Landwirtschaft näherbringen.

Eigentlich hatten wir wegen Wein bei ihm angeläutet. So stellt er nun ein paar Weingläser auf den Tisch. „Meine Weine sind alle direkt auf der Maische vergoren, also ein ziemlich wildes Zeug. Dementsprechend ist die Weinstilistik“, sagt er und schenkt zur Verkostung einen „Pamhogna 2021“ ein. Seit dem Umstieg auf Bio-Dynamie im Jahre 2003 hat sich das Leben in seinem Weingarten stark verändert.

„Es macht mir Freude zu beobachten, dass sich immer mehr Tierarten bei mir zuhause fühlen. Die Artenvielfalt schafft ein natürliches Gleichgewicht zwischen Nützlingen und Schädlingen und fördert die Gesundheit der Reben.“ Nachhaltige Landwirtschaft eben. Was die Landschaft, in der er wohnt, für ihn bedeutet? „Der Seewinkel ist Paprika und Wein und See. Was ihn aber so besonders und wertvoll macht, ist der Hanság, der untrennbar mit ihm zusammengehört!“

Die Weintüftler im Seewinkel

Ein paar Gassen weiter in Pamhagen bewirtschaftet Josef Tschida gemeinsam mit seinem Vater Josef senior ein Weingut mit 24 Hektar. Auch der kleine Stammhalter Josef III. kurvt bei unserem Besuch auf seinem Spieltraktor durch die große Weinhalle. Für ihn hat die Winzerfamilie 2020 einen roten Jahrgangswein abgefüllt. „Dasselbe hat mein Vater in meinem Geburtsjahr 1992 gemacht, einen Eiswein, von dem es glücklicherweise noch ein paar Flascherln gibt“, lacht Josef Tschida.

In der Gegend gebe es nur mehr wenige Flaschenfüller, denn die meisten Weinbauern liefern heute die Trauben an die Winzergenossenschaft, erklärt Tschida junior. Der Absolvent der Wein- und Obstbauschule Klosterneuburg tüftelt gern im Weinkeller und probiert öfter Neues aus. Besonders stolz ist er auf seinen „Albedo“, eine Cuveé aus Welschriesling und Muskateller.

„Früher habe ich den allein gemacht, jetzt sitzen wir alljährlich zu sechst zusammen und tüfteln daran, bis es passt.“ Dann ist das Weinmachen auch ein gruppendynanischer Prozess? „Na ja, wenn am Ende des langen Abends keine Einigkeit erzielt wird, entscheidet der Chef“, zwinkert er schelmisch.

Die klimatischen Herausforderungen in diesem Teil des Burgenlandes sind vielfältig, etwa die Bewässerungssituation oder den exakten Zeitpunkt zur Ernte zu finden: „Manchmal wird es während der Lese stressig, auch wegen der drohenden Überreife“, erklärt der Winzer. Trotzdem: Der Seewinkel, seine Heimat, ist für ihn die beste Gegend, seine Weine anzubauen.

 

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© VILA VITA Pannonia

TIPP

Nationalpark Neusiedler See
www.nationalparkneusiedlersee.at

Radtouren im Seewinkel
Manfred Hafner
www.radontour.at

Ferienresort Vila Vita Pannonia
www.vilavitapannonia.at

Weingut Josef Tschida 
www.weingutjoseftschida.at

Laberei
Weingut und Heurigenhof Adrian
www.laaberei.at

Andert-Wein
Michael und Erich Andert
www.andert-wein.at

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