Künstlich intelligent
Complete Magazin 3/21
Leistungsfähige Algorithmen steuern Autos und helfen bei der Entwicklung von Medikamenten. Zur Übernahme der Weltherrschaft fehlt ihnen jedoch eine entscheidende Fähigkeit„Künstliche Intelligenzbegegnet uns vor allem auf dem Smartphone“, sagt Günter Klambauer, Experte für Machine Learning an der Johannes Kepler Universität Linz, die auch ein eigenes KI Lab betreibt. Bereits wenn ein getippter Text automatisch vervollständigt wird, aber auch bei einer Google-Suche ist eine KI am Werk – die uns verblüffend gut zu kennen scheint. „Möglich ist dies, weil in diesen Fällen große Datenmengen zur Verfügung stehen, an denen die KI lernen kann“, so Klambauer. „Ein KI-Programm hat viele anpassbare Parameter. Diese sind anfangs zufällig, und die KI macht viel falsch. Aber wenn sie einmal etwas richtig macht, werden die Parameter angepasst“, erklärt der Experte das Grundprinzip hinter den gängigen KI-Anwendungen. Laut Klambauer gibt es Parallelen zur menschlichen Gehirnentwicklung. „Babys haben viele Neuronen, die Verbindungen im Gehirn. Durch Lernen werden einige verstärkt, andere geschwächt.“
Ein großes Gebiet für KI ist der Bereich Transport und Logistik. Wann Autos automatisch auf unseren Straßen unterwegs sein werden, hängt für Klambauer auch von psychologischen Faktoren und den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Rein technisch wären laut dem Experten – bei entsprechender sensorischer Ausstattung der Fahrzeuge – kaum noch Hürden zu überwinden.
Auch in der Medizin macht man sich künstliche Intelligenz zur Mustererkennung zunutze, und zwar in der Qualitätskontrolle bzw. in der medizinischen Diagnostik mittels bildgebender Verfahren. KI kann heute krankhafte Veränderungen auf Röntgen-, CT- oder MR-Bildern gleich gut oder besser erkennen als Radiologen. In Pilotprojekten werden medizinische Aufnahmen bereits von einer KI gescannt, die den behandelnden Arzt auf Auffälligkeiten aufmerksam macht. „Die Entscheidung über eine Behandlung verbleibt aber immer beim Arzt“, betont Klambauer. Besonders bemerkenswert ist für ihn die Fähigkeit von KI-Systemen, die Wirkung chemischer Verbindungen vorherzusagen, was in der Entwicklung neuer Medikamente entscheidend ist.
Dennoch relativiert der Experte das Potenzial heutiger KI-Lösungen. Diese sind immer nur auf eine Aufgabe abgestimmt („narrow KI“). Abseits dieses Aufgabenfeldes könne die KI nicht funktionieren – nicht zuletzt, weil sie keinen eigenen Antrieb dazu entwickeln kann. Bedrohungsszenarien, in denen sich KI gegen Menschen wendet, sind daher Science Fiction. Ein reales Problem seien laut Klambauer Schwächen in den Daten, mit denen eine KI trainiert wird. So spiegeln die Antworten von Chatbots, die anhand von Social-Media-Einträgen „gelernt“ haben, die dort vorherrschenden Vorurteile wider. In der Medizin sei es problematisch, dass die meisten Studien primär auf weißen, männlichen Probanden beruhen. Zwar gebe es Bestrebungen, „Fairness“ in die KI zu programmieren, diese Ansätze stünden allerdings erst am Anfang.