Insel der Sandalen
Complete Magazin 2/21
Die Avarcas de Menorca begeistern nicht nur die spanische Königsfamilie
"Hässlich und unbequem“, urteilte Erzherzog Ludwig von Österreich, als er nach Menorca kam. Er meinte damit das Schuhwerk der Insulaner: Avarcas. Bereits zu Zeiten der Römer und Phönizier wurden sie getragen: Stoff oder Leder für die Sohle und den vorderen Teil des Fußes, vor den Zehen ein Luftloch, hinten eine Schlaufe.
Erzherzog Ludwig forschte im 19. Jahrhundert über die spanische Inselgruppe der Balearen und verfasste das neunbändige Werk „Die Balearen in Wort und Bild“. Darin findet sich ein Kupferstich, der besagten Schuh zeigt. Das Loch an den Zehen war damals schon vorhanden, zur Entlüftung an heißen Tagen. Im Winter sollen die Bauern die Schuhe mit Stroh ausgestopft haben. Als schließlich immer mehr Autos nach Menorca kamen, benutzte man alte Autoreifen als Sohle. Das bot besseren Schutz vor Feuchtigkeit. Heute gibt es kein Schuhgeschäft auf Menorca, in dem die Insel-Sandalen nicht in den Regalen liegen. In allen Farben, einzig die Form ist stets dieselbe.
In den 1960er-Jahren begannen Schuster der Insel, Avarcas zu produzieren, in den 1970er-Jahren eröffneten die ersten Werkstätten. Seit 2010 ist die Schreibweise „Avarca de Menorca“ ein geschützter Herkunftsbegriff. Die Inselschlapfen sind angeblich die beliebtesten Sommerschuhe der spanischen Königsfamilie. Im Dörfchen Ferreries haben sich die Outlets der Schuhdesigner angesiedelt.
Auf Menorca wurden nicht nur die Avarcas erfunden, sondern auch „Pretty Ballerinas“, die von Stars wie Olivia Palermo, Kate Moss, Claudia Schiffer und Letizia, der spanischen Königin, getragen werden. Designer Jaime Mascaró stammt von der Insel. Heute arbeiten rund 500 Menschen in seinem Unternehmen, das im Jahr eine halbe Million Schuhe verkauft.
Auf Menorca steht Naturschutz immer an erster Stelle, daher gibt es keinen einzigen zugebauten Strand. 1993 wurde die Insel zum UNESCO-Biosphärenreservat erklärt, fast die Hälfte der Insel unterliegt dem Landschafts- und Naturschutz. Ein Grund für die Auszeichnung des Küstenbereichs Es Grau neben der gleichnamigen Ortschaft und dem Naturschutzpark „a’Albufera des Grau“ durch die UNESCO ist eine langgestreckte Lagune von zwei Kilometern Länge: die bedeutendste Feuchtzone Menorcas. Wer hier Urlaub macht, erlebt eine Naturidylle mit raschelndem Dünengras, einem 600 Meter langen Strand und einer flach abfallenden Bucht, die besonders für Familien mit kleinen Kindern ideal ist.